Sonntag, 30. April 2006

Der "Kleine See", meine Wahlheimat

Nachdem ich am 20. April im Wellnesscenter von Lago di Montecolombo, von den Bewohnern des Dorfes der Stiftung "Fondazione Leo Amici" liebevoll "der kleine See" genannt, eine längere Entspannungskur angetreten bin, hatte ich die Idee, von meinen Erlebnissen zu erzählen. Seit 24 Jahren bin ich Mitglied eines Vereins, der die Stiftung unterstützt.

Es fing gleich gut an, denn in der ersten Nacht, die ich im Hotel verbrachte, stürzte ich im Badezimmer, wobei ich mir das linke Handgelenk angebrochen habe.

Da ich durch dieses Missgeschick pflegebedürftig war, sollte ich nicht allein wohnen und so landete ich in einer kleinen Senioren-WG, die aus vier Mitbewohnern besteht.

Das sind Gianni (77) und seine Frau Livia (72 und fast blind) und Graziella (73 und ebenfalls fast blind) und meine Wenigkeit (79). Gianni sorgt rührend für's leibliche Wohl, das heisst er bekocht uns mittags und abends. Ausserdem kümmert er sich nachmittags ehrenamtlich (wie die meisten, die hier arbeiten) um unser Museum. Eine jüngere Nachbarin kommt mein Zimmer und das Bad sauber halten und für alles, was ich sonst noch nötig habe, sind immer liebenswerte junge Menschen bereit, mir zu helfen. Noch nie in meinem Leben hatte ich es so bequem!

Jeden Tag bekomme ich ein bis zwei Reflexzonen-Ganzkörper-Behandlungen und die sind ein wahrer Hochgenuss. Die ersten Tage war ich immer nur müde, aber nun fühle ich mich von Tag zu Tag ausgeruhter. Wenn das Wetter schön ist (bis heute war es das immer) gehe ich entweder an unserem kleinen See spazieren oder setze mich in den Garten und mache meine Mudras oder lese. Meistens kommt mich jemand besuchen und dann gibt es immer viel zu erzählen.


Hurra, hurra, der Computer ist da!
Das war vielleicht eine lange und schwere Geburt!
Ein PC musste gefunden werden, ein geeigneter Platz in meiner WG, ein Computertisch, und zum Schluss auch noch die Genehmigung der Telekom. Für alle technischen Probleme habe ich einen "PC-Engel", ein ganz lieber junger Spanier, der in seiner Freizeit abends bei mir vorbeikommt, um mir alles so einzurichten, wie ich es brauche. Gerade entdecke ich, das er mir den Browser für deutsch eingestellt hat.

Seit sich herumgesprochen hat, dass in der Alten-WG jemand ist, der sich mit Internet auskennt, haben schon viele junge Frauen und Mädchen ihren Besuch bei mir angesagt *ggg* . Mehrere wollen bei mir lernen. Aber erstmal muss ich mich noch erholen.

Ich habe schon vielen jungen oder jüngeren Freunden von den Mudras erzählt. In den nächsten Tagen kommt das Buch, das auch ich habe, auch auf italienisch heraus. Dann wird hier eine Mudra-Manie ausbrechen!!! Denn alle Vereinsmitglieder möchten sich nur mit natürlichen Mitteln und Methoden behandeln.

"Am See", 29. April

Es ist noch früh am Morgen und solange die anderen noch schlafen, nütze ich die allgemeine Ruhe, um ein paar Worte in mein Tagebuch zu schreiben. Das Zimmer, in dem der PC steht, ist nämlich ein Teil eines grossen Wohn-Ess und Küchenbereiches, in dem sich unser Leben abspielt, wenn wir uns nicht anderswo im Dorf (Dörflein) aufhalten. Jetzt, wo es mir jeden Tag besser geht und ich den Computer habe, halte ich
mich auch immer weniger in meinem Zimmer auf. Eigentlich nur noch nach den Behandlungen, weil ich dann immer sehr müde bin.

Heute ist Samstag und irgendwann wird mein Sohnemann eintrudeln. Ich bin vormittags aber mehrere Stunden mit Anwendungen beschäftigt. Nachmittags will ich mich gut
ausruhen, denn heute Abend findet ein Musical statt, das ich unbedingt sehen möchte.

In einer WG zu leben, ist auch etwas, was gelernt werden will. Ich sah einmal eine Sendung bei Arte über eine Hamburger Senioren-WG, die mit grossem Elan, Begeisterung und Erwartungen testmässig gegründet worden war. Leider hatte ich die letzte Folge verpasst, aber wie man mir erzählte, ist sie in Wirklichkeit nie zustande gekommen, weil ein Zusammenleben anscheinend nicht möglich war. Es wird immer gesagt, dass sowas nur klappen kann, wenn die verschiedenen Mitglieder unter einander befreundet sind. Ich selber bin nun davon überzeugt, dass es in jedem Fall eine grosse Herausforderung bedeutet, friedlich und harmonisch zusammenzuleben und dass Freundschaft allein noch keine Garantie für einen Erfolg bietet.

In meiner momentanen WG, die sich "Casa Meta" nennt, was soviel wie "Haus am Ziel" (oder so ähnlich) bedeutet, lebe ich mit Menschen zusammen, die ich bisher nur flüchtig kannte, von denen ich aber von ihrem grossen ehrenamtlichen Einsatz über fast drei Jahrzehnte hinweg in dieser gemeinnützigen Struktur Bescheid weiss. Was uns verbindet, ist erstens unser Glaube und zweitens unsere Treue gegenüber diesem Dorf, das wir alle gewollt haben und das wir lieben. Ausserdem sind wir alle vier gewillt, unser Bestes auch in unseren kleinen Gemeinschaft zu geben. Das bedeutet oft, die eigene Person zum Wohle aller hintenan zu stellen. Und genau das versuche ich zu lernen und muss sagen, in einer Woche hat es zwischen uns noch nie auch nur die kleinste Differenz gegeben. Und da jeder von uns die gleiche Arbeit an sich leistet, wird es auch weiterhin klappen. Davon bin ich überzeugt.

Ich mit all meinen "verrückten" Angewohnheiten bin sicher eine gewöhnungsbedürftige Mitbewohnerin. Es liegt an mir, mich zurückzuhalten, wenn es nötig ist und Rücksicht auf die Bedürfnisse der anderen zu nehmen. Also ein Lernprozess wie es das ganze Leben sowieso ist oder wie ich es immer gesehen habe. Aber auch die anderen fühlen sich durch meine Vielseitigkeit angeregt und wir haben viel Spass miteinander. Ausserdem habe ich oft Besuch von jüngeren Freundinnen, was Leben in die "Bude" bringt. Naja, und Internet im gemeinsamen Wohnzimmer ist natürlich DER Knüller. Auch wenn die zwei Frauen nicht daran teilnehmen können, sind sie stolz, dass in IHREM Haus ein PC steht und von allen Besuchern bewundert wird. Nicht der PC an sich, sondern die Tatsache, DASS er hier steht.

Lago di Monte Colombo, 28. April, Fortsetzung

Während meine WG-Mitbewohner das Mittagessen vorbereiten (Forelle im Ofen, gedünstete Artischocken) und ich auf meine Behandlung warte, nütze ich die Zeit, ein paar Zeilen zu schreiben.

Gestern hat mir ein Vereinsmitglied, Stefano, von seinen 4 Adoptivkindern erzählt. Seine beiden Töchter sind schon erwachsen. Als ein Pfarrer ihnen von verwahrlosten Kindern in Brasilien und Bangladesh berichtete, konnten sie nicht widerstehen und übernahmen die Patenschaft für vier kleine Babys, die nun schon alle zur Schule gehen und vorbildliche Schüler sein sollen. Eines Tages hoffen sie, sie alle wenigstens einmal besuchen zu können. Stefano ist ein einfacher Fabrikarbeiter und seine Frau geht putzen, um den eigenen Töchtern das Studium zu ermöglichen. Die Patenschaft für Brasilien und Bangladesh kostet nur € 12,50 pro Kind und Monat.

Meine grösste Schwierigkeit hier "am See" ist, zweisprachig zu funktionieren. Es ist für mich leichter, das Italienisch aufzufrischen, als nicht das Deutsch zu vergessen. Besonders nachts, wenn ich mal nicht schlafen kann, denke ich mal in einer Sprache mal in der anderen. Das wird sich wohl mit der Zeit einpendeln hoffe ich.

Denn dass ich hierher übersiedele ist nun beschlossene Sache. Es warten viele Aufgaben auf mich, sodass ich mich nie langweilen werde.

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